„Es ist nie zu spät, glücklich zu sein!“
Nadja Mack-Foraschik ist Senior*innencoach in Wien. Im SEIN Interview spricht sie über ihre Erfahrungen aus der Praxis und das neue Bewusstsein des Alterns.
Interview: Katrin Kuba
SEIN: Glücklich und zufrieden bis ans Lebensende, davon träumen wir alle. Wie realistisch ist das? Was braucht es dazu?
Nadja Mack-Foraschik: Glück und Zufriedenheit, das ist Definitionssache. Der eine erlebt es durch Job, Haus oder Hund. Der andere vielleicht durch die Freiheit, von einem Ort zum anderen zu ziehen. Immer, jeden einzelnen Augenblick seines Lebens glücklich zu sein, ist aber utopisch. Krisen gehören zum Leben dazu, das weiß diese Generation ganz besonders. Es geht darum, sich immer wieder zu fragen: Was macht mich denn glücklich? Wer die eigenen Werte kennt, kann schließlich darauf hinarbeiten und sie ausleben. Und je früher wir beginnen, uns zu reflektieren, und bewusst weiterzuentwickeln, desto länger können wir genießen. Ich bin übrigens zu 100 Prozent überzeugt, dass es nie zu spät ist, sein Leben selbst in die Hand zu nehmen und in ein glückliches zu verwandeln.
Wie Udo Jürgens schon sang: „Mit 66 Jahren, da fängt das Leben an …“ Während früher Pension nach Ende klang, geht es da heute erst richtig los: mit Bildung, Reisen, einer neuen Liebe. Warum hat sich das in den vergangenen Jahrzehnten dermaßen verändert?
Weil die An- und Herausforderungen andere geworden sind. Die Gesellschaft, manche Normen, Werte und auch die Arbeitswelt haben sich stark verändert. Dadurch haben die Menschen andere Wünsche und Erwartungen entwickelt. Auch wird mehr auf Gesundheit und Prävention geachtet. Das Ergebnis: Die Lebenserwartung steigt – und damit auch die Anzahl der Jahre, die man im Ruhestand verbringt. Eine längere Zeit, die ich füllen muss und will. Schließlich will man nicht den ganzen Tag im Ohrensessel sitzen und warten. Heute geht es Menschen mit 65+ darum, etwas zu erleben, sich Wünsche und Träume zu erfüllen. Bei vielen ist ein völlig neues Bewusstsein für die Zeit in der Pension entstanden!
Für den deutschen Forscher Hans-Werner Wahl, Direktor des Netzwerks Altersforschung an der Uni Heidelberg, führen die neuen Alten eine Art Pionierleben. Schließlich gibt es noch keine Role Models, an denen sich ablesen ließe, wie Altern heute geht. Wie erleben Sie die Generation 65plus?
Offener. Manchmal aber auch ein wenig verloren. Vor allem bei der Thematik rund um die Versorgung der eigenen Eltern und die Selbstbewertung in gute/schlechte Tochter bzw. guter/schlechter Sohn. Da kommen Fragen wie: „Darf ich das abgeben?“ – „Ist es okay, die Pflege an Profis weiterzugeben?“ In dem Bereich gibt es tatsächlich noch keine Role Models!
Rund um den Lifestyle nehme ich auch Druck wahr. Man muss fit sein, gesund, soll wenig Falten haben, am Puls der Zeit sein, auch was die neuen Medien betrifft, usw. Viele fühlen sich da ein wenig überfordert oder unter Druck gesetzt, glaube ich. Sie möchten aber noch etwas bewegen, etwas ändern, vor allem sich sinnvoll fühlen. Das ganze Lebenskonzept wird plötzlich überdacht. Und dann geht es darum: Traue ich mich, lasse ich alte Glaubenssätze los?
Welche Themen und Anliegen sind bei Ihren Klient*innen besonders präsent?
Alles rund um die Partnerschaft – bis zur Trennung. Sorgen um die Familie, die Enkelkinder, die eigenen Eltern. Die Einsamkeit, ist auch oft ein Thema genauso wie der Selbstwert und die eigenen Bedürfnisse. Bei Entlastungsgesprächen, da haben viele das Gefühl “Mir hört zum 1. Mal jemand wertfrei zu.” Es geht um Reflektion und um die eigenen (realistischen) Ziele. Ich biete einen Raum, wo meine Klient*innen sie selbst sein und alles sagen dürfen, da sind auch alle Gefühle erlaubt. Meist kommen übrigens die Frauen alleine oder wurden zu mir geschickt – von der Tochter, der Nachbarin, einem Arzt. Männer sind da noch sehr zurückhaltend.
Zur Person
Nadja Mack-Foraschik
- Diplomierte Lebens- und Sozialberaterin,
- Senior*innen-Coach, Psychosoziale Beraterin, Paar-Beraterin, Supervisorin
- Geboren 1977 in Kärnten, verheiratet, Mutter einer Tochter – lebt und arbeitet seit 1998 in Wien.