Leben

Riechen ist pure Lebensfreude

Unser Geruchssinn ist ein Wunder der Natur. Er ist kostbar, faszinierend und oftmals unterschätzt. Ein Beitrag über die vielen Facetten des Riechens und ihre Bedeutung für ein erfülltes Leben.

Text: Stefan Böck

Eine Dame mit einem Fläschchen ätherischen Öls

Erna greift nach einem ätherischen Öl und beginnt daran zu riechen. Aus dem kleinen Fläschchen strömt ein zarter Jasminduft. "Ja, das ist Jasmin!" Sofort erinnert sie sich an eines ihrer ersten Parfüms, das sie sich als junge Frau gekauft hat. Der Duft erinnert sie an einen Tag in der Tanzschule, an das Kleid, das sie trug. Lächelnd stellt sie den Flakon zurück ins Regal und schaut zufrieden zur Aromatherapeutin. Noch vor ein paar Wochen hat sie an derselben Flasche gerochen, ohne Ergebnis, ohne schöne Erinnerung. Erna war an Corona erkrankt und hatte ihren Geruchssinn fast vollständig verloren. Seit einiger Zeit macht sie regelmäßig Riechtraining und arbeitet daran, ihren Geruchssinn wiederzuerlangen.

Schmeck und Riechstörungen

„Es war relativ schnell klar, dass Corona Riechstörungen verursacht“, weiß Christian Müller. Er ist Leiter der Ambulanz für Riech- und Schmeckstörungen an der Medizinischen Universität Wien und hilft dort Patienten, wie Erna, dabei, ihren Geruchssinn zurückzubekommen. „Die ersten Virusvarianten haben noch 50 Prozent der Patient*innen mit längerfristigen Riechstörungen betroffen, teils über Wochen und Monate. Die späteren Omikron Varianten schädigen das Riechvermögen weit weniger“, so Christian Müller. Seine Hauptpatient*innen haben die Störung oft schon seit ein bis zwei Jahren. Die meisten leiden unter einer sogenannten Hyposmie, einer Riechminderung mit Restfunktion. Im Gegensatz dazu spricht man von Anosmie, dem vollständigen Riechverlust. „Wir wissen noch nicht, ob es sich normalisiert und wie lang es dauert“, sagt Müller, der aus Erfahrung weiß, dass die Rückkehr des Riechvermögens etwa nach traumatischen Störungen drei bis vier Jahre dauern kann.

Christian Müller, Leiter der Ambulanz für Riech- und Schmeckstörungen an der Medizinischen Universität Wien
Christian Müller, Leiter der Ambulanz für Riech- und Schmeckstörungen an der Medizinischen Universität Wien (Foto: MedUniWien-Matern)

Nicht nur Corona als Ursache

Denn es sind nicht nur Corona-Fälle, die er in seiner Ambulanz behandelt. Neben Unfallverletzungen können auch andere Infektionen oder Erkrankungen der Nase wie Polypen zu Riechstörungen führen. Auch Parkinson und Alzheimer können zu Riechstörungen führen. Selten sind auch Operationen oder Erkrankungen des Gehirns die Ursache, weshalb zur Abklärung immer eine Kernspintomographie des Kopfes durchgeführt wird.

„Wenn jemand kommt, machen wir zuerst eine gründliche Diagnose und danach richtet sich dann die Form der Therapie. Am besten kann man Nasenerkrankungen, wie etwa Polypen therapieren. Wenn das Problem bei den Nervenzellen liegt, gibt es keine Therapie, keinen Apparat, der wie ein Hörgerät den Geruchsverlust kompensiert. Da wird zwar intensiv geforscht, aber man hat hier noch kein Ergebnis. Deshalb empfehlen wir ein Riechtraining mit dem sich der Geruchssinn wieder verbessern lässt. Das funktioniert. Das empfehlen wir auch Covid-Patient*innen, Patient*innen mit posttraumatischen Riechstörungen oder idiomatischen Fällen, also jenen, bei denen man die Ursache nicht genau feststellen kann“, erklärt Müller.

Das Riechtraining läuft relativ unspektakulär ab. In Sitzungen, die etwa zweimal täglich für zwei Minuten stattfinden, nutzt man jeweils vier unterschiedliche Duftstoffe oder Öle und schnüffelt dran. Damit werden die Rezeptoren stimuliert und das Riechsystem bis in die Großhirnrinde angeregt.

Im Grunde haben wir nur das Riechtraining, es ist keine technische Lösung in Sicht“, bestätigt auch Veronika Schöpf. Die Expertin für Olfaktorik hat sich viele Jahre mit diesem Thema forschend auseinandergesetzt. Den Geruchssinn bezeichnet sie als den „mit Abstand coolsten Sinn des Menschen“. Ihre Begeisterung gründet auch darin, dass der Geruchssinn so ganz anders ist. Veronika Schöpf: „Als einziger spricht er die Gehirnhälften nicht überkreuzt an, sondern adressiert immer die gleiche Seite. Wenn auf der Straße jemand an einem vorbeigeht und einen bestimmten Geruch trägt, etwa ein Parfum, kann das in unserem Gehirn sofort eine damit verbundene Emotion auslösen. Nur für das Riechen gibt es diese Direktleitung was an der Anordnung des Riechzentrums im Gehirn liegt. Auch fasziniert mich, dass der Geruchssinn bereits bei der Geburt voll entwickelt ist.“

Wie funktioniert Riechen überhaupt?

Riechen funktioniert durch Geruchsmoleküle, die wir einatmen. Das kann man vergleichen mit Puzzleteilen die auf einen bestimmten Rezeptor treffen. Beim Einatmen finden Puzzleteile und Rezeptoren zueinander. „Wir haben ein Set von Rezeptoren zur Verfügung um die Geruchsmoleküle zu verarbeiten. Manche Geruchsmoleküle passen auf einen Rezeptor, andere nicht“, erklärt Veronika Schöpf. Wenn es passt, löst der Rezeptor einen elektrischen Impuls aus, und im Gehirn wird der Geruch identifiziert. Schöpf: „Wir haben gelernt, Gerüche zu identifizieren, ihnen Namen zu geben.“ Geruchsvermögen hat also sehr viel auch mit der Verwendung von Sprache zu tun. Das Gehirn kann Millionen unterschiedlicher Gerüche erkennen, aber es braucht Worte, um sie zu beschreiben: „Ein Sommelier hat gelernt, Gerüche besser zu identifizieren, besser zu unterscheiden und er hat ein großes Repertoire an Namen. Grundsätzlich besser Riechen kann er nicht. Es geht dabei um Lernen und um das Vermögen, Sprache zu verwenden“, so die Olfaktorik Expertin.

Veronika Schöpf
Veronika Schöpf, Expertin für Olfaktorik (Foto: Maria Ritsch)

Wir riechen besser, als wir denken

Einer, der den Geruchssinn auf unglaublich spannende Art erklären kann, ist der Wissenschaftler Johannes Frasnelli. Sein Buch „Wir riechen besser, als wir denken“ wurde als Wissenschaftsbuch des Jahres 2020 ausgezeichnet. Darin geht er auf die Rolle der Hirnstruktur Thalamus ein. Sie gilt als „Tor zum Bewusstsein“ und fungiert als eine Art Filter, welche Informationen ins Bewusstsein gelangen und welche nicht. Frasnelli: „Der Geruchssinn hat zwar eine Verbindung zum Thalamus, der Hauptteil der Riechinformation gelangt aber direkt zur Großhirnrinde im limbischen System. Sie gelangt also ungefiltert ins Bewusstsein. Das kann miterklären, warum durch Gerüche ausgelöste Assoziationen und Gefühle so stark sein können.“


Das limbische System ist entwicklungsgeschichtlich ein sehr alter Teil des Gehirns und liegt sehr tief, neben dem noch älteren Hirnstamm. Laut Frasnelli steuert es nur teilweise unter Kontrolle des übrigen Gehirns unsere Triebe und ist für Emotionen zuständig. „Es ist auch das limbische System, das es uns erlaubt, neue Gedächtnisinhalte zu erwerben und zu speichern. Zu seinen Aufgaben gehören somit auch Erinnern und Lernen. Die Belohnungszentren des Gehirns gehören ebenfalls zum limbischen System, also jene Zentren, die uns veranlassen, belohnende Aktivitäten zu setzen“, so Frasnelli. Die Duftinformation gelangt also direkt in das limbische System und aktiviert die Zentren des Gehirns, die für das Gedächtnis und für das Erinnern, für Emotion und für Belohnung zuständig sind. „Das ist der Grund dafür, warum jeder unter uns Anekdoten erzählen kann, bei denen ein Geruch eine sehr starke und emotionale Erinnerung auslöst“, erklärt Frasnelli ein bekanntes Phänomen. Frasnelli empfiehlt in seinem Buch, aktiv darüber nachzudenken, welche Erinnerungen und Gefühle mit welchen Gerüchen verbunden sind. Eine Anregung, die auch von Duftphilosoph und Künstler Paul Divjak in seinem Buch „Der Geruch der Welt“ gemacht wird.  Im ausführlichen SEIN Interview finden Sie Beispiele und Paul Divjak erzählt, wie diese „Geruchsbilder“ zustande kommen.

Johannes Frasnelli
Johannes Frasnelli (Foto: Amanda Tétrault via APA Picturedesk)

Der Geruchssinn nimmt im Alter ab

Eine weniger gute Nachricht gibt es allerdings für ältere Menschen: der Geruchssinn nimmt ab. Expertin Veronika Schöpf weiß: „Ab 40 geht es leider bergab. Das blöde ist, dass man es nicht merkt.“ Das ist tückisch, denn Geruchsverlust kann auch ein frühes Zeichen von Parkinson und Alzheinmer sein. „Man könnte darauf reagieren, aber es ist zu schleichend, man wird das nie selber bemerken. Es fällt meist erst auf, wenn der Geruchssinn ganz weg ist“, so Schöpf. Auch Johannes Frasnelli bestätigt dieses Phänomen: „90 bis 95 Prozent der Parkinson- und Alzheimer Patienten haben eine Riechstörung. Diese Riechstörung geht den anderen Symptomen um 10 bis 15 Jahre voraus. Wir versuchen zu verstehen, inwieweit wir diese Tatsache für die Früherkennung verwenden können. Wir versuchen Muster herauszufinden, die für diese Erkrankungen spezifisch sind. Ziel ist es, diese Muster dann auch bei Menschen in sehr frühen Phasen, oder sogar noch vor der Erkrankung zu erkennen.“
Ob nun ernste Erkrankungen dahinter stecken, oder es sich um einen „normale“ altersbedingte Abnahme des Geruchsvermögens handelt: für die Pflege älterer Menschen hat diese Tatsache eine große Bedeutung. Doch leider wird auch dort dem Geruchssinn „mitunter nicht die Bedeutung beigemessen, die er eigentlich verdient“, wie der Wissenschaftler Johannes Frasnelli findet.


„Wenn sie einen Menschen besuchen, riecht seine Wohnung. Ein Geruch einer Wohnung ist ein Teil der Identität eines Menschen. Wenn man in ein Heim oder Pflegeheim geht, dann gibt man einen Teil der Autonomie ab“, beschreibt er das Problem. Zwar wird in Altersheimen viel darauf geachtet, wie man Licht einsetzt, Möbel gestaltet und auch an die Raumakustik wird gedacht. Gerüche kommen dabei aber noch zu kurz. „Wir haben Studien durchgeführt, bei denen untersucht wurde, was passiert, wenn man in Pflege- und Altersheimen Duftstoffe versprüht“, erzählt uns Johannes Frasnelli, der damit herausfinden wollte, ob die Menschen möglicherweise mehr essen, oder ob es sich auf die häufig beobachtete Unruhe am Abend auswirkt. „Der Effekt war nicht besonders groß, aber er war eindeutig da. Die Düfte haben sich positiv ausgewirkt, auf die Bewohner und auf die Menschen, die dort arbeiten“, ist Frasnelli überzeugt.


Auch beim Wechsel in ein Heim kann man auf das Thema Bedacht nehmen. Im Gegensatz zu Bildern und Fotoalben können Gerüche nicht mit übersiedeln. Umso wichtiger ist es, Gegenstände mit charakteristischen Gerüchen mitzunehmen. Das können Kleidungsstücke sein, Textilien, Taschen oder Pölster. Ganz wichtig sind auch Parfums. Leider werden sie all zu oft nicht mitgenommen, oder im Heim nicht aktiv eingesetzt. Dies berichten etwa Pflegekräfte in einer Diskussion, die für diesen Beitrag im Forum des Duftportals Parfumo geführt wurde. Nutzer „Scorpio“ schreibt: „Ich bin beruflich bedingt öfters in Pflegeheimen unterwegs und kann so auch mal einen Blick ins Bad erhaschen. Ich muss sagen dass die allerwenigstens dort Parfum stehen haben.“

Wolfgang Steflitsch
Wolfgang Steflitsch, Wahlarzt für Lungenheilkunde

Aromatherapie

Erfreulicherweise steigt das Bewusstsein für die positiven Effekte von Gerüchen und Düften auch in der Pflege. Verantwortlich dafür ist unter anderem der anhaltende Trend rund um das Thema Aromatherapie. Unter diesem Stichwort findet man ein reichhaltiges Angebot an Büchern, Ratgebern und Kursen. Viele Menschen haben das Thema für sich entdeckt, auch in der Medizin findet es immer mehr Beachtung. „Das Wirkungsfeld der Medizinischen Aromatherapie und der Aromapflege geht weit über Gesundheitsförderung und Wohlbefinden hinaus, weil die Wirkungen so vielfältig sind“, erklärt dazu Wolfgang Steflitsch, Wahlarzt für Lungenheilkunde im niederösterreichischen Ollersbach. Er ist Vorstandsmitglied der Österreichischen Gesellschaft für wissenschaftliche Aromatherapie und Aromapflege (ÖGWA) und zählt die wichtigsten Effekte dieser komplementärmedizinischen Methode wie folgt auf: schmerzstillend, entzündungshemmend, immunstärkend, antimikrobiell, emotional und psychisch stärkend und harmonisierend, Gedächtnis und Konzentration fördernd, Schlafqualität verbessernd, stimmungsaufhellend, Stress reduzierend, Blutdruck senkend, wundheilungsfördernd, Verdauung fördernd, Organfunktionen unterstützend und regenerierend. „Zusätzlich gibt es fast keine Interaktionen mit Arzneimittel. Und es können konventionelle Arzneimittel oftmals in der Dosis verringert werden. Dazu aber bitte erst nach Rücksprache mit der behandelnden Ärztin oder Arzt.“, so Steflitsch.

Wie so oft bei komplementärmedizinischen Methoden, ist der professionelle Umgang besonders wichtig, denn leider gibt es nicht nur seriöse Angebote. Das betont etwa auch Ingrid Karner, Geschäftsleiterin von aromainfo.at, einem Institut für Therapie und Ausbildung in Graz: „Wir müssen uns abgrenzen zu unseriösen Angeboten, jeder kann Aromatherapie machen. Es gibt auch Firmen die versuchen, weniger gute Öle zu verkaufen“, erzählt sie. Ihre Kernaufgabe sieht sie in der „Ausbildung und der Vermittlung von Aromawissen für Ärzte, Pharmazeuten, Pflegepersonen, Menschen, die sich mit dem Thema selbständig machen wollen, aber auch Menschen, die das in der Familie anwenden.“

Karner ist von der positiven Wirkung der Methode überzeugt und nennt Demenz als konkretes Beispiel: „Die Aromatherapie ist eine schöne Möglichkeit mit Riechtrainings das Gedächtnis zu unterstützen, denn Düfte lösen sofort Erinnerungen aus.“ Im Altersheim gehe es zudem um Raumluft, Raumbeduftung, um das Thema Lebensfreude und Genussfähigkeit, so die Expertin. Sowohl Ingrid Karner, als auch Wolfgang Steflitsch sehen in privater Anwendung eine Möglichkeit, sich dem Thema zu nähern, mahnen aber zur Vorsicht. Karner: „Man kann Riechtraining auch laienhaft zu Hause machen. Man kann beim Gewürzregal schnuppern. Nelken, Zimt, Majoran, Oregano etc…. Die andere Variante ist, in Marmeladengläser Watte zu geben und dort einen Tropfen Gewürznelkenöl reinzugeben. In ein anderes Majoranöl, in ein drittes Bergamotte, oder Earl Grey Tee, dann noch Rosmarin, Eukalyptus oder Pfefferminze. Sie riechen einmal intensiv daran. Das nennt man Kickbeduftung. Damit kann man das Gehirn trainieren. Wenn ich das einmal täglich mache, wirkt das besser als drei Sudokus. Damit hält man sich geistig fit.“
Lungenarzt Wolfgang Steflitsch: „Ja, es gibt fachlich ausgezeichnete Bücher von Aromaexpert*innen. Wenn es über harmlose Befindlichkeitsstörungen hinausgeht, sollte aber zuerst eine medizinische Diagnose gestellt werden – und danach mit einem Arzt oder mit einer Ärztin des Vertrauens mögliche konventionell-medizinische und komplementärmedizinische Interventionen diskutiert werden.“

Ingrid Karner
Ingrid Karner (Foto: Renate Trummer Fotogenia)

Die Lust am Duft kennt kein Alter

Menschen, die sich ihr Leben lang mit Düften beschäftigt haben, behalten diese Leidenschaft meist bis ins hohe Alter oder sogar bis an ihr Lebensende. Warum sollte es mit Düften anders sein als mit guten Büchern oder der Freude an Kunst, Kultur oder gutem Essen? Mit dem Alter wächst die Erfahrung und damit auch die Dufterfahrung. Neue Düfte kommen hinzu, andere werden vielleicht langweilig. Es gibt daher – objektiv betrachtet - kein spezifisches Spektrum an Parfums, das man älteren Menschen zuschreiben könnte. Das ergab auch die Diskussion die für diesen Beitrag mit Expert*innen einerseits und andererseits mit Nutzer*innen auf Parfumo geführt wurde. Auf der Subjektiven Ebene hingegen gehen die Meinungen wild durcheinander. Das liegt an den schon in diesem Beitrag erwähnten Erinnerungen und Gefühlen, die manche Düfte auslösen. Ein prominentes Parfum, das in diesem Zusammenhang oft erwähnt wird, ist „4711 Echt Kölnisch Wasser“. Der Duft wird von manchen als zeitloser Klassiker für seine Frische Note gerühmt, er wird aber umgekehrt auffällig oft negativ als „Alte Oma Duft“ konnotiert. Dass 4711 manche User*innen an ältere Damen erinnert, liegt aber eben nicht am Duft selbst, sondern an der Assoziation der Riechenden. Wenn ein Duft so lange am Markt ist und schon von Generationen getragen wurde, dann ist die Chance groß, dass ihn Jüngere mit ihren Tanten oder Omas in Verbindung bringen – im Positiven, wie im Negativen. Schnell ist dann das Etikett „Oma-Duft“ angeheftet. Die Herstellerfirma bemüht sich seit einigen Jahren mit „Reeditions“ das alte Image loszuwerden.

Nutzer*in Iridia bringt es im Parfumo Forum auf den Punkt: „Ich denke, dass einige Düfte nicht älter, sondern nur schon früher verbrauchter riechen, wie 4711 und Angel, weil sie damals so erfolgreich, leicht zu kaufen und erschwinglich waren. Es gibt in jedem Alter Menschen, die Neuem gegenüber aufgeschlossen sind oder sich damit schon immer schwer tun und weiter lieben, was sie früher mochten.“ Neues Auszuprobieren ist auch für Nutzer*in Eriele entscheidend: „Die Vorlieben sind eine Sache der Nase und nichts des Alters. Auch ändert sich der Geschmack durch verschiedene Umstände, die nicht mit dem Alter zusammen hängen. Meine Tante starb im November 2021 mit 95 1/2 Jahren und man konnte sie mit Altdamendüften jagen. Noch wenige Wochen vor ihrem Tod bat sie mich, eine Flasche Seductive (Eau de Toilette) mitzubringen. Jagen konnte man sie - und kann man auch mich - mit Echt Kölnisch Wasser (Eau de Cologne) Tosca (Eau de Cologne) und N°5 (Parfum). Auch betrachten wir älteren Damen uns nicht als solche, sondern als "Best Ager". Also kein Vergleich mehr zu unseren Müttern und Großmüttern als diese in unserem Alter waren. Für mich gibt es nur die Eingrenzung nach der Art des Duftes, wie z.B. frisch, blumig, orientalisch usw. Da kann mir ein neuer Duft um Längen besser gefallen, als ein alter Duft, der zu meinem Alter passen sollte.“

An ihrem letzten Satz möchte man die Frage knüpfen: Wer behauptet denn, dass dieser oder jener Duft zu einem bestimmten Alter passen soll? Am ehesten tut das die Industrie mit ihren Werbekampagnen. Deren Stil und die darin auftretenden Berühmtheiten sind meist auf eine bestimmte Zielgruppe zugeschnitten. Neben der bei vielen Düften fragwürdigen Zuordnung zu einem bestimmten Geschlecht, dreht es sich, wie so oft in der bunten Welt der Werbung, meist um Jugendlichkeit. Ausnahmen bestimmen allerdings auch hier die Regel. So sind schon Dolly Parton oder Catherine Deneuve in Parfum-Werbung aufgetaucht und „auch Johnny Depp und Julia Roberts sind nicht mehr 25 Jahre jung“, wie User*in Alliage im Forum anmerkt und ergänzt: „Ich bin der Überzeugung, Düfte sind in jedem Alter wunderbar, solange man sich dafür interessiert. So könnte man mit einer coolen altersübergreifenden Werbung viele ältere Menschen erreichen, die sich vielleicht nicht mehr in die Parfumerie trauen, und sich bei Snipes oder JD etwas fehl am Platz fühlen. Ich hoffe, dass es irgendwann mal eine Wende im Parfum-Marketing geben wird.“
Damit ist wohl nicht unmittelbar zu rechnen, weshalb die Empfehlung lautet, auch im Alter neugierig zu bleiben und abseits von Konventionen, Geschlechtszuschreibungen und Zielgruppenkampagnen so viele zu schnuppern, wie nur möglich. Das gilt nicht nur für die Parfümerie, sondern auch für alle anderen Lebensbereiche. Wer „immer der Nase nach“ aufmerksam und bewusst durchs Leben geht, steigert Wohlbefinden, Gesundheit und Lebensfreude.

Wussten Sie, dass…

  • Raucher ein schlechteres Riechvermögen haben. Man sollte also unbedingt mit dem Rauchen aufhören.
  • man bei plötzlich auftretenden Veränderungen des Geruchssinnes immer zum Arzt gehen sollte. Natürlich auch, wenn einem eine schleichende Veränderung auffällt. Dann ist eine gründliche Diagnose besonders im Hinblick auf Ursachen im Gehirn wichtig.
  • der Geruchsverlust bei Parkinson oder Alzheimer meist kein plötzlicher Verlust ist, sondern ein gradueller, der den Patienten nicht auffällt. Bei Parkinson tritt der Verlust sehr früh auf, noch vor anderen typischen Parkinsonsymptomen. Wenn Parkinson oder Demenz in der Familie vorkommen, kann man auch diesen Zusammenhang beim Neurologen abklären.
  • Allergien Schwellungen und Entzündungen der Nasenschleimhaut auslösen, die auch die Riechschleimhaut betreffen. Jede Allergie ist deshalb potentiell auch in der Lage, eine Riechstörung auszulösen.

Tipps zu Aromaölen und Aromatherapie

  • Aromatherapie ist eine Möglichkeit, mit Riechtrainings das Gedächtnis zu unterstützen.
  • Im Alter nimmt die Dopaminproduktion ab. Wenn man an Demenz erkrankt, wird u.a. das Hormon Dopamin nicht ausreichend produziert, auch bei Depressionen im Alter spielt das eine Rolle. Die Dopaminausschüttung kann über Düfte stimuliert werden, zum Beispiel durch das Schnuppern von Mönchspfeffer.
  • Wenn man keine Vanille oder Majoran riechen kann, kann dies möglicherweise ein Hinweis auf Demenz oder Morbus Parkinson sein. Wichtig ist aber immer die Abklärung mit einem Arzt.
  • Öle können auch Hautreizungen oder sogar epileptische Anfälle auslösen. Man darf keine Pfefferminze in eine Raumbeduftung geben, weil diese epileptische Anfälle auslösen kann.
  • Auf der unabhängigen Webseite, aromapraktiker.eu sind zertifizierte Mitglieder gelistet, die eine solide Ausbildung haben.
  • Achten Sie beim Kauf von Ölen auf Hinweise wie „100 % naturrein“ oder „100 % echtes“ ätherisches Öl. Es sollte weiters der Hinweis draufstehen: zur Aromatherapie oder zur Aromapflege geeignet. Achten Sie auch auf das Haltbarkeitsdatum.
  • Ein ätherisches Öl um ein, zwei Euro ist normalerweise kein gutes. Die meisten liegen zwischen 6 und 20 Euro. Alles darüber ist wiederum zu teuer und manchmal Geschäftemacherei. Ausnahmen bilden besonders hoch konzentrierte Öle aus kostbaren Rohstoffen, wie etwa Neroli, Vetiver, Oud oder seltenen Rosensorten. Da kann ein Fläschchen 40, 50 Euro und mehr kosten.
  • Am besten kauft man in ausgewählten Apotheken. Dort sollte es immer auch Tester geben. Man sollte auf die Originalverpackung achten. Denn Öle lassen ja auch nach. Orange oder Zitrone halten etwa ein Jahr, ebenso wie Nadelbaumöle. Andere halten drei bis vier Jahre.
  • Man kann auch Riechtraining laienhaft zu Hause machen. Man kann beim Gewürzregal schnuppern. Nelken, Zimt, Majoran, Oregano etc …. Die andere Variante ist, in Marmeladengläser Watte zu geben und dort einen Tropfen Gewürznelkenöl aufzutragen.

Quelle: aromainfo.at

Buchtipps

  • Johannes Frasnelli: „Wir riechen besser, als wir denken“, MOLDEN
  • Birgit Ebbert, Steffi Klöpper: „Duftgeschichten für Senioren“, Verlag an der Ruhr
  • Paul Divjak: „Der Geruch der Welt“, edition atelier